Fünf Fragen an Gisela Friedrichsen (Der Spiegel), Gerichtsreporterin
11. September 2009 | Autor: Gastblogger | Keine Kommentare Artikel drucken
Wir freuen uns sehr, Gisela Friedrichsen als Referentin zum 1. Deutschen Litigation-PR-Tag (29. Oktober, Frankfurt am Main) begrüßen zu dürfen. Seit 20 Jahren ist sie als Gerichtsreporterin für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ tätig und gehört zweifelsohne zu den profiliertesten Gerichtsreportern Deutschlands. Im Folgenden hat sie unseren Klassiker, „5 Fragen an…“, beantwortet.
1. Frage: Wie erreicht ein Anwalt am ehesten eine positive (Medien-)Aufmerksamkeit für seinen Mandanten?
Friedrichsen: Ein Anwalt erreicht bei den Medien am meisten, wenn er sich Kontakt- und Auskunftswünschen nicht verschließt. Und wenn er sich als seriöser Gesprächspartner erweist, der nicht den Eindruck vermittelt, die Journalisten instrumentalisieren zu wollen zwecks Werbung in eigener Sache oder zur Prozessführung über die Medien.
2. Frage: Was sollte er auf keinen Fall versuchen?
Friedrichsen: Ein Anwalt sollte niemals eine „falsche Geschichte“ erzählen. Die Medien wollen nicht belogen oder mit Halbwahrheiten abgespeist werden. Das schadet dem Anwalt und vor allem seinem Mandanten.
3. Frage: Wer kommuniziert besser: Rechtsanwalt oder Staatsanwalt?
Friedrichsen: Der Anwalt hat einerseits die besseren Möglichkeiten zur Kommunikation, da er z. B. – im Einverständnis mit seinem Mandanten – jede Art von Hintergrundinformation geben darf. Die Staatsanwaltschaft wiederum genießt das Privileg, von vielen Medienvertretern als besonders seriös und zuverlässig eingeschätzt zu werden. Ihr wird im Gegensatz zum Anwalt, der als „Partei“ gilt, eher geglaubt, was sich manche Staatsanwälte weidlich zunutze machen. Doch hier wie dort gibt es solche und solche.
4. Frage: Lassen sich Richter von einer Medienberichterstattung in ihrer Entscheidungsfindung beeinflussen?
Friedrichsen: Eine einfache Antwort ist nicht möglich. Einzelne Richter sind geradezu versessen auf Berichte über „ihre“ Verhandlung und geben am nächsten Sitzungstag ihren Kommentar öffentlich dazu ab. Andere Richter behaupten – wenig glaubhaft allerdings -, Medienberichte seien ihnen total egal. Wieder andere haben kein Problem zuzugeben, sich (selbst)kritisch damit auseinander zu setzen. Auch wenn man als Bürger lieber der reinen Lehre von der vollkommenen Unabhängigkeit der Richter anhängen möchte: Die Erwartungen der Öffentlichkeit, die die Medien gerade anlässlich spektakulärer Fälle schüren, bedienen viele Gerichte nur allzu gern. Denn auch Richter wollen Beifall. Müssen sie ein unpopuläres Urteil begründen, kommt es bisweilen zu den absonderlichsten Verrenkungen. Richter sind wie jedermann äußeren Einflüssen ausgesetzt und – bewußt oder unbewußt – dafür empfänglich. Ein guter Richter weiß damit umzugehen.
5. Frage: In welchem konkreten Fall hätten Sie dazu geraten, Litigation-PR-Experten einzusetzen?
Friedrichsen: In keinem. Wenn ich als Gerichtsreporter merke, daß PR-Leute am Werk sind (wie es z. B. im Falk-Prozeß vor dem Hamburger Landgericht der Fall war), ziehe ich mich sofort zurück. Dass Anwälte ihre Mandanten, falls nötig und möglich, coachen, ist das eine. Doch die Medien verschone man damit.
Über Gisela Friedrichsen
Seit 20 Jahren ist Gisela Friedrichsen als Gerichtsreporterin bei “Der Spiegel” tätig. Nach dem Studium der Germanistik und Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München und einem Volontariat bei der „Augsburger Allgemeinen“, war sie zuvor von 1973 bis 1989 Redakteurin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Jüngste Publikationen:
- Im Zweifel gegen die Angeklagten: Der Fall Pascal – die Geschichte eines Skandals.
- Ich bin doch kein Mörder: Gerichtsreportagen 1989-2004.
5×5 weitere Antworten von
- Stephan Detjen, Chefredakteur des Deutschlandfunks
- Dr. Heribert Prantl, Ressortleiter Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung
- Maximilian Steinbeis, Journalist und Autor
- Dr. Joachim Jahn, Wirtschaftsredakteur der FAZ
- Mark Kohlbecher, Reporter bei RTL
Kommentare
Kommentar abgeben