Litigation-PR : der Blog

Recht haben, Recht bekommen und recht gut dastehen

Neuer Blog-Herausgeber: Rechtsanwalt Dr. Per Christiansen

27. April 2011 | Autor: Jens Nordlohne | Keine Kommentare Artikel drucken

Der Litigation-PR-Blog hat einen neuen Herausgeber: Dr. Per Christiansen wird ab sofort zusammen mit Jens Nordlohne die Themenwelt rund um Juristerei, Kommunikation und Reputationsmanagement beleuchten. Dr. Per Christiansen, MSc (LSE) studierte Rechtswissenschaften und Philosophie an der Universität Kiel und Regulierungswissenschaften an der London School of Economics. Zuletzt war er als Leiter Recht und Personal der AOL-Gruppe und als Vorstandsmitglied der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia e.V. tätig. Seit August 2010 ist er Senior Visiting Research Fellow am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung mit den Forschungsschwerpunkten der Medienregulierung im internationalen Umfeld sowie der Bekämpfung von strafbaren Inhalten. Per Christiansen ist Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied der Stiftung Digitale Chancen.

Herr Christiansen: Was ist wichtiger? Recht zu bekommen oder recht gut dazustehen?

Wichtig ist, das eigene Ziel zu erreichen. Bekommt man Recht und steht trotzdem schlecht da (wir denken an Michael Kohlhaas), hat man für die eigenen Zwecke nicht viel erreicht. Sieht man medial gut aus, bekommt der Gegner aber Recht, hat man auch nicht viel gewonnen. Meiner Erfahrung nach kommt es darauf an, zunächst das Ziel eines Mandanten präzise zu verstehen. Und dieses Ziel ist niemals nur ein juristisches, sondern ein der Lebenswelt des Mandanten entstammendes Interesse an einem Vermögens- oder Lebenssachverhalt. Für ein solches Ziel ist der juristische Sieg nur Mittel zu dessen Erreichung, und in vielen Fällen überhaupt nur der erste Schritt. In einer umfassenden Beratung und Strategieentwicklung für den Mandanten muss man sich fragen, ob man das Ziel des Mandanten mit einem juristischen Sieg schon vollständig erreicht haben wird oder ob nicht weitere Instrumente und Mittel hinzukommen müssen. In einer optimalen Strategie steht der Mandant dann mit Recht recht gut da.

In welchen juristischen Bereichen sehen Sie eine sinnvolle Kooperation von Anwalt und Kommunikationsexperten?

Es kommt weniger auf das Rechtsgebiet als vielmehr auf das Öffentlichkeitsinteresse an der konkreten Sache an. Bauplanungsrecht zum Beispiel würde man auf den ersten Blick nicht als eine Materie sehen, in der Kommunikationsexperten gebraucht würden. Das ändert sich aber schlagartig bei Großvorhaben wie Stuttgart D-21, Flughafenerweiterungen (Airbus Hamburg) oder dem Bau von Autobahnen. Allerdings gibt es Rechtsgebiete, in denen die Zusammenarbeit mit Kommunikationsexperten bereits etabliert ist, etwa Strafverfahren und Verfahren wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen bei Rehabilitationsinteresse, bei öffentlichen Tarifauseinandersetzungen oder in Regulierungsverfahren. In anderen Bereichen scheint es mir noch erhebliches Potential zu geben, beispielsweise in der Kommunikation von Ermittlungsbehörden, die kaum strategisch zur präventiven Verbrechensbekämpfung genutzt wird.

Wer führt? Jurist oder Kommunikationsberater?

In laufenden Verfahren führt der mit der Prozessführung betraute Anwalt. Völlig natürlich wird ein Prozessvertreter auch ohne Kommunikationsberatung seinem Mandanten einbläuen, jegliche Kommunikation müsse von nun an über ihn laufen. Unbedachte Kommunikation kann irreparable Nachteile in der Verhandlungsführung verursachen. Nichts anderes gilt, wenn man in dem juristischen Konflikt die Mittel um gezielte und professionelle Kommunikationsmaßnahmen ergänzt. Allerdings gehört es zu den Aufgaben des koordinierenden Juristen, die kommunikativen Belange gegenüber juristischen Risiken im Interesse des Mandanten abzuwägen und sich laufend aktiv mit den Kommunikatoren abzustimmen. Im Idealzustand entwickelt der Jurist ein Gefühl für geschickte Kommunikation (vor allem den richtigen Zeitpunkt) und der Kommunikator ein Gefühl für juristische Risikovermeidungsstrategien.

Haben Sie als Jurist schon mal mit PR-Beratern zusammengearbeitet?

Oft. Sehr oft.

Als ehemaliger Justiziar eines international tätigen Unternehmens: Gibt es Anknüpfungspunkte zwischen der Rechtsabteilung und der Pressestelle? Wie sollten diese aussehen? Wie sieht diese Zusammenarbeit in anderen Ländern aus?

Es gibt verschiedene Anknüpfungspunkte. Es gibt juristische Verfahren, die sich für eine mediale „Ausschlachtung“ oder gar für Image-Zwecke bestens eignen. Beispielsweise Verfahren, die letztlich Kunden zugute kommen wie z.B. Verfahren gegen Spammer oder Internet-Betrüger. In anderen Verfahren kann die mediale Berichterstattung ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel außerhalb des juristischen Schlachtfeldes sein, etwa um für den Gegner den zu kalkulierenden Schaden bei Fortführung des Konfliktes zu erhöhen. Generell ist es nach meiner Erfahrung wichtig, sich bei Verfahren mit der Pressestelle laufend zu koordinieren, um einerseits selbst geschickt kommunizieren zu können, und andererseits, um für mögliche kommunikative Angriffe des Gegners vorbereitet zu sein. Vor allem letzteres hat sich in meiner Erfahrung in etlichen Verfahren bezahlt gemacht. Gelegentlich habe ich die Hilfe von Kommunikatoren auch in Anspruch genommen, wenn es zu erwarten war, dass ein Schreiben außerhalb des Verfahrens der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Ein weiterer Anknüpfungspunkt ist das Risikomanagement. So wie es der Rechtsabteilung obliegt, juristische Risiken für das Unternehmen durch geeignete Maßnahmen abzufedern, ist dies für kommunikative Risiken die Aufgabe der Unternehmenskommunikation. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, sich über akute und auch mögliche abstrakte Risiken auszutauschen und je nach den Umständen des zu betreuenden Unternehmens sogar in Teams zu institutionalisieren. Risiken können ein Unternehmen auf vielen verschiedenen Ebenen treffen, entsprechend „interdisziplinär“ sollte das Risikomanagement darauf vorbereitet sein.

In der Rechtspolitik und bei der Begleitung von Gesetzgebungsverfahren schließlich ist die juristische Bewertung ohnehin nur der erste Baustein und die Basis für kommunikative Maßnahmen.

Die Zusammenarbeit zwischen Rechtsabteilung und Pressestelle liegt im Grunde in der (anglo-amerikanischen) Philosophie der Funktion des Unternehmensjuristen als „General Counsel“, der über die eigentliche Rechtsberatung hinaus Risiken und Chancen für das Unternehmen verantwortlich und übergreifend managen soll. Also ganz anders als die „klassische“ Positionierung der Rechtsabteilung als einer nicht weiter verantwortlichen rechtlichen Kontrollinstanz für den Vorstand. Je unternehmerischer und für die Unternehmensziele verantwortlicher ein Unternehmensjurist zu denken hat, desto mehr leitet ihn das zwangsläufig in eine Zusammenarbeit mit der Unternehmenskommunikation.

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