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Litigation-PR in der Schweiz: Was würde Dürrenmatt sagen?

15. April 2010 | Autor: Gastblogger | Keine Kommentare Artikel drucken

portraitDer Litigation-PR-Blog freut sich, einen Gastbeitrag der Schweizer Rechtsanwältin Dr. Rena Zulauf, präsentieren zu dürfen. Frau Zulauf berät nicht nur umfassend im Medienrecht, sondern auch bei der Entwicklung von interdisziplinär angelegten Kommunikationsstrategien in Krisenfällen.

„Man ist froh, wenn zwischen dem Geschriebenen und dem, was man sagte, eine gewisse Ähnlichkeit festzustellen ist (…) Ich bin meistens unglücklich, besonders, wenn ich bei einem Wort genommen werde, das ich nie ausgesprochen habe“, so bereits der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt vor 30 Jahren in einem seiner zahlreichen Interviews. Auseinandersetzungen zwischen Medien und von der Berichterstattung Betroffenen sind regelmässig sowohl inhaltlich als auch mit Bezug auf die mediale Verbreitung von einer Eigendynamik geprägt, der als Betroffener nur schwer zu begegnen ist. So erfuhren beispielsweise die schweizerischen und deutschen Medienkonsumenten unmittelbar nach der Verhaftung des Meteorologen Jörg Kachelmanns, dass der von einer Frau erhobene Vorwurf der Vergewaltigung durch eine rechtsmedizinische Untersuchung „festgestellt“ worden sei. Es folgten – auch in der Schweiz – als Zitate aufbereitete Schlagzeilen der Mannheimer Staatsanwaltschaft wie „Es liegt mehr gegen Kachelmann vor als nur eine Aussage“ oder „Verurteilungswahrscheinlichkeit liegt deutlich höher als 51%“. Solche und andere Botschaften werden von Interessenvertretern und Prozessparteien auch in der Schweiz vermehrt inszeniert und medial platziert. Durch gezielte Indiskretionen wird Druck aufgebaut, um die öffentliche Meinungsbildung in die „richtige Richtung“ zu lenken. Die Unschuldsvermutung bleibt dabei vermehrt blosse Rechtstheorie.

Reputationsmanagement

Für Privatpersonen und Unternehmen kann eine negative Medienberichterstattung verheerende Folgen haben, wie auch der Fall des weltweit aus der Schweiz operierenden Personaldienstleisters Adecco zeigt. Als Adecco 2004 die Verschiebung der Publikation ihres Jahresabschlusses aufgrund von Vorschriften der SWX Swiss Exchange zur sog. Ad-hoc-Publizität (Art. 72 Kotierungsreglement) auf unbestimmte Zeit verschob, fiel die Aktie an einem Tag um 35%, was rund 5 Milliarden Franken entspricht. Die Lehre aus dem Fall: Vertrauen ist ein seltenes Gut. Reputation und Glaubwürdigkeit müssen aufgebaut und über die Jahre hinweg bewirtschaftet werden (sog. Reputationsmanagement).

Skandale als Regulatoren im Gesetzgebungsprozess

Nicht selten initiieren Medienskandale politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Regulationsprozesse. Die Medien veröffentlichen eine Information, die Empörung auslöst: Ist das Verhalten dieses Bankiers nicht anstössig? Sind die Abgangsentschädigungen für Manager wirklich gerechtfertigt? Sind die Preise in der Schweiz nicht überrissen? Darf ein Botschafter sich so verhalten? In den meisten Fällen lösen solche Nachrichten eine kollektive Entrüstung aus. Die Medien knüpfen bei ihren Enthüllungen an vorhandene (gesetzliche) Normen und Moralvorstellungen an und stellen ihnen davon abweichende Verhaltensweisen gegenüber. Die Grenzbereiche zwischen Moral, Recht, Politik sowie gesellschaftlichen Konventionen werden neu vermessen. Mitunter münden solche mediatisierten Prozesse in den Erlass neuer gesetzlicher Vorschriften.

Kollision verschiedener Wertsysteme

Reputationsmanagement beginnt damit, dass man die Funktionsmechanismen der Medien kennt und versteht. Den Medien kommt eine unter demokratischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gesichtspunkten bedeutende Funktion in der sozialen Kommunikation zu (Meinungsbildungs- und Informationsfunktion), weshalb ihnen in der Rechtswissenschaft die Erfüllung einer „öffentlichen“ oder doch zumindest „besonderen Aufgabe“ zugesprochen wird (Kontroll- und Kritikfunktion). Die Medienwirklichkeit zeigt jedoch, dass in vielen Medienskandalen nicht selten zwei Wertsysteme miteinander kollidieren. So trifft gerade im Wirtschaftsbereich oftmals das liberale System der Marktwirtschaft auf ein gesellschaftliches Wertsystem, das von ethischem Normdenken geprägt ist. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer beklagen denn auch regelmässig, dass ihnen – gerade in der personifizierten Berichterstattung – nach und nach das Agenda Setting von den Medien oder deren Informanten aus der Hand genommen wird.

Court of Law vs. Court of Public Opinion

Erschwerend kommt in medial ausgetragenen Konflikten dazu, dass diese von vornherein in der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Während die Konfliktaustragung im Gerichtssaal in der Regel nach rationalen Kriterien funktioniert (sog. Court of Justice), wird die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit meist aufgrund emotionaler Wahrnehmung gefällt (sog. Court of Public Opinion). Medienerzeugnisse werden vom Publikum zwar in der Regel zur Verbesserung des eigenen Informationsstandes konsultiert, zu einem wesentlichen Teil aber auch zur reinen Unterhaltung und zur Zerstreuung konsumiert. Im Rechtsstreit vor einem Gericht oder einer Schlichtungsbehörde kommt deshalb erschwerend hinzu, dass sich die Akteure nicht nur im Court of Justice erfolgreich zu positionieren haben, sondern auch im Court of Public Opinion.

„All the news that’s fit to print!“ (New York Times)

Die Medien sind in erster Linie der Öffentlichkeit und der transparenten Kommunikation verpflichtet. So besagt bereits die Präambel des Journalistenkodexes des Schweizer Presserates, dass die Verantwortung der Journalistinnen und Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit Vorrang vor jeder anderen Verantwortlichkeit hat. Mit Blick auf die Interessen-gesteuerten Informationsplatzierung ist Medienschaffenden gut geraten, allen involvierten Parteien genau zuzuhören und simplifizierende „Gut/Böse“-Inszenierungen bewusst und hartnäckig zu hinterfragen. Nicht von ungefähr heisst es im Schweizerischen Journalistenkodex, dass von Medienberichterstattung Betroffene nicht anders zu behandeln sind, als Journalistinnen und Journalisten selbst an deren Stelle behandelt werden möchten (Richtlinie 7.3. zum Journalistenkodex des Schweizer Presserates).

Betroffene, welche die Kommunikation mit der Öffentlichkeit (gewollt oder ungewollt) suchen bzw. den Meinungsbildungsprozess lenken, haben sich die unterschiedlichen Wertsysteme ständig vor Augen zu halten. Wer dem Wirtschaftssystem und damit dem Wettbewerb verpflichtet ist, hat auch den „Marketplace of Ideas“ in seinen Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen und kann sich nicht ausschliesslich hinter dem Buchstaben der Gesetze verbergen. Im Umgang mit den Medien sind daher Mechanismen des Rechts und der Kommunikation aufeinander abzustimmen. Berufliche Rollenbilder, die häufig tief im Verständnis eines Berufsstandes verwurzelt sind, sind somit zu hinterfragen und allenfalls neu zu definieren. Nur so ist es möglich, Sachlichkeit in einen von Emotionen und Eigendynamik gekennzeichneten Prozess zu bringen.

Über Dr. Rena Zulauf, LL.M.

Dr. Rena Zulauf ist Gründerin der in Zürich ansässigen Kanzlei Zulauf Bürgi Partner. Sie berät und prozessiert in allen Bereichen des Informations-, Kommunikations- und Medienrechts. Dabei vertritt sie einen Beratungsansatz, der strategische Rechts- und Kommunikationsberatung miteinander verzahnt. Frau Dr. Zulauf ist über rena.zulauf@zblaw.ch erreichbar.

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