Der Zschäpe-Prozess und die mediale Funktion der Justiz
3. April 2013 | Autor: Dr. Per Christiansen | Keine Kommentare Artikel drucken
Über die Probleme der Sitzvergabe für die Verhandlung im Zschäpe-Prozess müssen wir nicht auch noch etwas schreiben. Die rechtlichen Optionen, die eine angemessenere Sitzvergabe für die Medien erlaubt hätten, sind bereits umfänglich erörtert worden, etwa in der Zusammenfassung von Ternieden.
Der Aufschrei gegen die Vergabepraxis des OLG München ist ein Symptom für die unterschwellige Annahme, die Justiz habe eine eigene Medienverantwortung. Es gelte nicht mehr das alte Dogma, die Aufgabe der Justiz sei die richtige Anwendung der Gesetze, die Aufgabe der Öffentlichkeit sei es, die Justiz zu kontrollieren. Nein, vielmehr liege es – so die Prämisse – auch in der Verantwortung der Justiz, die Berichterstattung und die gesellschaftlichen Effekte der eigenen Handlungen zu steuern.
An dieser Annahme ist etwas dran, keine Frage. Die mediale Verantwortung ist Teil der Befriedungsfunktion der Gerichte und deren rechtsstaatlicher Aufgabe. Es ist der Vorsitzende, der in seinem Sitzungssaal über alle Vorgänge entscheidet. Wer entscheidet, hat auch die Konsequenzen zu bedenken und zu vertreten.
Ich frage mich jedoch, wie weit eine solche mediale Verantwortung reicht. Wollen wir, dass die Gerichte sich selbst vermarkten? Gezielt eine Wahrnehmung über Recht und Gesetz in unserem Staat erzeugen? Oder anders gefragt: Wieweit soll es die Entscheidung der Gerichte sein und deren Beeinflussung unterliegen, was und wie über den Rechtsalltag kommuniziert wird? Solche Entscheidungen wären alles andere als unpolitisch und mit der richterlichen Unparteilichkeit nicht unbedingt zu vereinbaren.
Als mögliche Lösung möchte ich die Formel vorschlagen, Gerichte hätten keine Medienverantwortung, sondern eine Medienorganisationsverantwortung. Danach müssten die Gerichte sicherstellen, dass Medien ordnungsgemäßen, fairen und – wenn man so will – diskrimierungsfreien Zugang zu allen justiziellen Vorgängen im Rahmen der Gesetze haben. Hingegen ist es weder Sache der Gerichte, zu beeinflussen, über was berichtet wird, noch die sozialen Folgen der Gesetzesanwendung medial zu managen.
Mit dieser Formel lässt sich auch das Debakel im Zschäpe-Prozess besser verstehen. Man kann darüber streiten, ob dem OLG München ein Medienorganisationsversagen vorzuwerfen ist. Die politischen, diplomatischen und sozialen Auswirkungen des Prozesses außerhalb eines Medienorganisationsversagens trägt das Gericht, solange es sich im Rahmen der Gesetze bewegt, jedoch nicht.
Ergänzung: Das Urteil des BVerfG zur Sitzplatzvergabe im Volltext.
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