Kann man sich medial rehabilitieren?
19. Oktober 2012 | Autor: Dr. Per Christiansen | Keine Kommentare Artikel drucken
Ohne Zweifel gibt es Opfer medialer Falschberichterstattung. Man denke nur an die Verleumdung von Bettina Wulff und die mediale Vorverurteilung von Jörg Kachelmann. Was kann man als PR-Berater solchen Betroffenen raten? Wie kann die beschädigte Reputation wiederhergestellt werden? Mir scheint, die Kommunikations-Szene ist in zwei Lager gespalten, die mit unterschiedlichen Strategien vorgehen. Die eine Strategie besteht darin, schlechte Presse einfach schlechte Presse sein zu lassen. Nicht weiter darauf zu reagieren. Alles andere würde das negative Bild nur weiter verstärken. Die andere Strategie besteht im medialen Gegenangriff.
Die Fälle Wulff und Kachelmann sind Paradebeispiele der letzteren Strategie. Aus diesem Anschauungsmaterial kann man lernen. Bettina Wulff hatte es geschafft, in der Bevölkerung wirkliches Verständnis zu wecken, dass sie sich gegen – durch moderne Suchtechnologien befeuerte – mediale Verleumdung aktiv wehrte. Jedem leuchtete ein, dass man sich dagegen wehren muss, böswillig als Prostitutierte defamiert zu werden. Aber plötzlich wurde Bettina Wulff in der Art, wie sie die mediale Gegenoffensive führte, selbst zur Nachricht. Das Bild kippte spätestens mit Verrissen ihres Buches (positive Rezensionen sind eh selten) und als sie Journalisten durch die Vielfachbuchung in Talkshows irritierte. Nicht mehr ihr Case, sondern ihr Verhalten wurde danach betrachtet. Ähnlich erging es dem Ehepaar Kachelmann. Eine mediale Gegenoffensive ist langweilig. Eine mediale Gegenoffensive, die fehlschlägt, ist interessant. Greifen wir aus der Masse der Berichterstattung als Beispiel den SPON-Bericht über die Pressekonferenz auf der Frankfurter Buchmesse heraus. Über die Botschaft, die das Ehepaar Kachelmann transportieren möchte, wird nur beiläufig berichtet. Die Nachricht ist das Verhalten des Ehepaars, wie sie sich schlagen und wie sie gegenüber einer vermeintlichen medialen Professionalität der Zuhörerschaft versagen. All dies mit einer Tonalität des Wunderns über einen bizarren Auftritt des Ehepaars. Strukturgleich auch die Berichte über den Auftritt bei Günter Jauch. Die Gemeinsamkeit beider Fälle liegt in der kommunizierten Botschaft. Es wurde nicht etwa über etwas Positives und Neues berichtet, und eine solche gute Botschaft als kommunikatives Vehikel für die Rehabilitation genutzt. Es wurde kommuniziert: „Mir wurde Unrecht getan“. In der Wahrnehmung ist dies mediales Gejammer, das anscheinend keiner hören will.
Fast wollte man meinen: Die Medien wollen eine Rehabilitation nicht. Der kleinste Fehler, und die Kampagne und die Investitionen sind dahin. Die Opfer stehen erneut vor einem Scherbenhaufen. Hätten das die PR-Berater wissen müssen? Wussten sie es, haben es aber nicht gesagt, weil mediales Schweigen kein Auftrag ist? Wollten die Opfer nicht zuhören?
Wenn eine mediale Rehabilitation in unserem Mediensystem nicht möglich ist, dann gewinnen diejenigen Stimmen Zuspruch, die ähnlich wie in UK jegliche Verfahrensberichterstattung vor rechtskräftiger Entscheidung gänzlich verbieten wollen. Gelingt den Medien keine eigene Lösung, lässt sich eine solche Einschränkung der Medienfreiheit überraschend leicht verfassungsrechtlich begründen. Das wäre ein Eigentor für die Medien mit erheblichen Kollateralschäden.
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