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Kommunikationsstrategie im Kugelhagel: Bin Ladens Tod und Litigation-PR

11. Mai 2011 | Autor: Dr. Per Christiansen | Keine Kommentare Artikel drucken

Wie kommuniziert man eine Tötung? (Quelle: Spiegel)

Osama Bin Laden wurde getötet und kann jedenfalls von irdischen Gerichten nicht mehr für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Die Berichterstattung über diese Vorgänge trägt dennoch deutliche Züge von Litigation-PR. Das gezielte Staatsattentat – sofern es ein solches war – ist straf-, verfassungs- und völkerrechtlich heikel. Entsprechend ist die US-Regierung in die Situation geraten, die Tötung gegen die Kritik zu rechtfertigen, durch ein solches „Kill-Kommando“ seien fundamentale rechtsstaatliche Werte verraten worden, derer wir uns sonst so rühmten.
Die kommunikative Verteidigung der US-Regierung arbeitet mit für die Laiensphäre aufbereiteten juristischen Argumenten. Fast, als ob sich die Regierung in einem Prozess (an den Stammtischen der Welt) zu verantworten hätte. Zeichnen wir das Bild nach:

Zunächst einmal vermeidet die US-Regierung jede Terminologie, die einen finalen Todesschuss als das bezeichnet, was es ist. Dies würde nur ein kommunikatives Präzedenz setzen. Die genauen Umstände der Tötung wurden jedenfalls anfänglich nur vage und lückenhaft erläutert. Den Rest mussten sich Leser und Zuschauer selbst denken und ergänzen. Dabei ist es doch nur plausibel, wenn bei einem Feuergefecht zwischen High-Tech-Elite-Troopers und mordenden Terroristen im Kugelhagel ein Akteur getroffen wird. Dies wäre ein Szenario, welches auf fehlenden (direkten) Tötungsvorsatz abzielt. Ebenso plausibel wäre es, wenn sich ein Soldat im Kampf durch den Schuss seines Lebens erwehren musste. Dies wäre ein Notwehr-Szenario. Solange sich die öffentliche Wahrnehmung in diesen Bahnen bewegte, war die Kommunikation der US-Regierung unter Kontrolle.

Einem cleveren Journalisten ist dann aber die Frage zu verdanken, ob Bin Laden überhaupt bewaffnet war. Dies musste verneint werden. Zweifel an den Szenarien einer ungewollten oder in Notwehr ergangenen Tötung waren damit vorprogrammiert. Seltsam der Kommentar der US-Regierung dazu: Bin Laden sei zwar nicht bewaffnet gewesen, habe sich aber „in anderer Form“ gewehrt. Weitere Informationen wurden nicht geliefert. Man kann nur versuchen sich vorzustellen, wie sich ein unbewaffneter Mann gegen eine hochgerüstete Kampfmaschine der US-Truppen ernstlich hätte wehren können. Die Äußerung der US-Regierung kann nur als halbherziger Versuch gewertet werden, Vorstellungen einer ungewollten Tötung weiter aufrecht zu erhalten. Diese kommunikative Maßnahme wurde allerdings mit Einbußen an der eigenen Glaubwürdigkeit bezahlt.

Dann folgte ein kommunikativer Strategiewechsel. Jetzt ging es nicht mehr um die konkrete Situation, sondern um die Gefahren, die von Bin Laden generell ausgingen. Die beschlagnahmten Festplatten hätten Planungen auf weitere Attentate gezeigt (weitere Informationen wurden wieder nicht gegeben). Juristisch würde man diese Argumentation als eine Rechtfertigung durch Notstand bezeichnen. Dieses Argument überzeugt jedoch auch in der juristischen Laiensphäre nur wenig. Die Verteidigung von Rechtsgütern vor allem durch Tötung kommt nur bei akuten gegenwärtigen Gefahrenlagen in Betracht, und eine solche lag nicht vor. Kommunikativ wurde so etwas wie eine „latente Dauergefahr“ gezeichnet, die jederzeit in eine akute Notsituation umspringen kann. Weshalb diese Gefahr jedoch nicht durch eine Verhaftung hätte beseitigt werden können, wurde nicht erklärt. Hinzu kommt: Jedenfalls in unserer Verfassung ist es verankert, dass Leben nicht gegen Leben abgewogen werden kann. Eine Tötung (außerhalb von Notwehr) wird nicht dadurch rechtmäßig, dass sie andere Leben rettet.
Im Folgenden kommunizierten die US-Sprecher juristisch immer nebulöser, im Tonfall aber lauter: Die Tötung des gefährlichsten Mannes der Welt sei ohne Zweifel gerechtfertigt, hieß es. Juristisch übersetzt: Die Tötung sei aufgrund eines übergesetzlichen Notstandes ausnahmsweise gerechtfertigt. Juristisch ist das wirklich dünnes Eis. Und noch drastischer: Wer Zweifel an der Richtigkeit der Operation habe, solle sich untersuchen lassen, ob er hirnkrank sei. Was für eine Ausdrucksweise! Jedem Juristen liegt reflexartig der alte Erfahrungssatz der Rechtswissenschaften auf der Zunge: Wer schreit, hat Unrecht.

Versetzt man sich in die Lage der Sprecher der US-Regierung, kann man mit den Resultaten der eigenen Kommunikationsmaßnahmen nicht glücklich sein. Aber hätte es überhaupt eine alternative Kommunikationsstrategie gegeben? Was wäre gewesen, wenn man von Beginn an offen gesagt hätte, eine gezielte Tötung durchgeführt zu haben? Dies wäre einem Eingeständnis gleichgekommen, aus Gründen der Staatsräson das Recht verletzt zu haben. Hätte die Öffentlichkeit dann nicht mit einem noch größeren Aufschrei reagiert? War es nicht vielleicht doch geschickt, die nach der Operation unvermeidliche öffentliche Diskussion jedenfalls durch die Positionierung von möglichen Gegenargumenten aufzuweichen und insgesamt hinzuziehen, bis der Nachrichtenwert gesunken ist? Dies ist eine Entscheidung, vor die Kommunikatoren oftmals gestellt sind. Soll man einen medialen Konflikt durch gezielte Maßnahmen aufzuweichen versuchen, auch wenn dies auf Kosten der eigenen Glaubwürdigkeit geht? Diesen Weg ist die US-Regierung in diesem Fall offenbar gegangen.

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