Erst durch eine EV wird`s zur Story
1. April 2011 | Autor: Jens Nordlohne | Keine Kommentare Artikel drucken
Wie man erst durch den Einsatz juristischer Mittel medialen Druck und Aufmerksamkeit erzeugen kann, belegt aktuell die Kommunikationsstrategie der Gewerkschaft ver.di in der Auseinandersetzung mit dem Textilkonzern H&M. Worum geht es? H&M wurde von seinem Gesamtbetriebsrat am 14.03.2011 darüber informiert, dass es die Möglichkeit der telefonischen Raumüberwachung gegeben haben soll. Allerdings lagen weder Betriebsrat- noch Gewerkschaftsvertretern konkrete Erkenntnisse darüber vor, dass H&M Betriebsräte tatsächlich auch abgehört hat.
Die Fakten: Bei den in den Betriebsratsräumen installierten, handelsüblichen Geräten, gab es eine (zulässige) Telefonfunktion, bei der durch aktive Annahme/Eingabe am Gerät ein anderes Telefon zuschaltbar war. Um dieses Feature zu nutzen, hätte allerdings eine Tastenkombination am Gerät selbst eingegeben werden müssen. Die Führungskräfte von H&M haben jedoch keine Schlüsselgewalt über die Betriebsratsräumlichkeiten und waren bei Telefonaten der Betriebsräte wohl auch kaum zugegen. Eine heimliche Raumüberwachung war mit den betreffenden Geräten technisch ausgeschlossen.
Die Geschäftsführung von H&M reagierte dennoch sofort auf den Hinweis des Gesamtbetriebsrats und ließ sämtliche Telefonanlagen überprüfen. Dabei wurde die zulässige, technische Funktion des Zuschaltens deaktiviert.
Damit hätte die Geschichte ohne öffentliche Aufmerksamkeit enden können. Aber ver.di tätigte einen geschickten PR-Schachzug: Die Gewerkschaft erwirkte eine Einstweilige Verfügung beim Hamburger Arbeitsgericht und lancierte das Ergebnis an die Medien. Dass das Gericht letztendlich nur verfügte, die oben beschriebene Telefonfunktion technisch lahmzulegen, (was H&M schon vor Einreichung des Antrags veranlasst hatte), spielte für die Medien kaum noch eine Rolle. Mit diesem juristischen Schritt öffneten sich erst die Türen zu den Redaktionsstuben und die Story bekam Relevanz. Mit dem Ergebnis dürften die Kommunikationsstrategen von ver.di zufrieden sein: „H&M kann mithören„, „Abhöraffäre: Arbeitsgericht straft H&M mit einstweiliger Verfügung ab„, „Hat H&M die Funktion zur Raumüberwachung am Telefon zum Schnüffeln benutzt?„.
Eine Stellungnahme von H&M, die gestern an die Redaktionen verschickt wurde, hat bislang kaum Niederschlag gefunden.
Der Konzern kündigt nun seinerseits juristische Schritte gegen ver.di an.
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