Fünf Fragen an Mark Kohlbecher (RTL), Reporter
28. August 2009 | Autor: Gastblogger | 1 Kommentar Artikel drucken
1. Frage: Wie erreicht ein Anwalt am ehesten eine positive (Medien-)Aufmerksamkeit für seinen Mandanten?
Kohlbecher: Positive Aufmerksamkeit erreicht er am ehesten, wenn er offen mit den Journalisten über seinen Fall spricht, ohne eigene persönliche Eitelkeiten zu befriedigen. Das kann ein Anwalt jedoch nur dann, wenn es ein gewachsenes Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem/den Journalisten gibt. Deshalb zahlt sich in solchen Fällen immer eine kontinuierliche Pressearbeit aus.
2. Frage: Was sollte er auf keinen Fall versuchen?
Kohlbecher: Journalisten mit Halb- oder gar Unwahrheiten zu „füttern“. Das rächt sich garantiert.
3. Frage: Wer kommuniziert besser: Rechtsanwalt oder Staatsanwalt?
Kohlbecher: Es gibt gut kommunizierende Juristen und ebenso schlecht kommunizierende Juristen. Meist gehören jene Rechts- oder Staatsanwälte zu den erstgenannten, die (positive) Erfahrung im Umgang mit Medienvertretern haben. Unterm Strich gilt: In der Qualität der Kommunikation schlägt Erfahrung und Vertrauen das oft noch weit verbreitete Rollenklischee. Beispielsweise sind immer noch viele, im Umgang mit Medien unerfahrene Juristen der Ansicht, ein möglichst kompliziertes Juristendeutsch wirke besonders kompetent. Genau das Gegenteil aber ist der Fall.
4. Frage: Lassen sich Richter von einer Medienberichterstattung in ihrer Entscheidungsfindung beeinflussen?
Kohlbecher: Es wäre weltfremd anzunehmen, dass Richter die Medienberichterstattung ignorieren. Setzen sie sich mal morgens in die Kantine der Frankfurter Justizbehörden (ich bin mir sicher das dieses Beispiel auf alle Deutsche Städte übertragbar ist) – natürlich sitzen dort auch Richter beim Kaffee und lesen Zeitung – besonders die Artikel ihren aktuellen Fall betreffend. Ich bin mir ebenfalls sicher, dass auch die Nachrichtenbeiträge von rtl aktuell oder n-tv von den beteiligten Richtern aufmerksam verfolgt werden. Insofern besteht natürlich die Gefahr, dass sich Richter von der öffentlichen – oder auch der politischen Meinung beeinflussen lassen. Diese latente Gefahr versuchen Anwälte längst für ihre Mandanten nutzbar zu machen. Bei Erörterungen über den Stand des Verfahrens oder den weiteren Fortgang (§257b und §257c StPO) fallen immerwieder die Schlagworte „Vorverurteilung durch die Medien“ , u. a.
5. Frage: In welchem konkreten Fall hätten Sie dazu geraten, Litigation-PR-Experten einzusetzen?
Kohlbecher: Es gibt sicher einige Fälle, bei denen professionelle Pressearbeit angebracht gewesen wäre. Als Journalist habe ich mir darüber auch ein Urteil gebildet, will aber hier keine Einzelfälle aufführen. Grundsätzlich aber haben eher die Staatsanwaltschaften einen Beratungsbedarf. Rechtsanwälte sind auskunftsfreudiger, denn schließlich ist jeder Medienauftritt auch kostenlose Werbung für die Kanzlei.
4×5 weitere Antworten von
- Stephan Detjen, Chefredakteur des Deutschlandfunks
- Dr. Heribert Prantl, Ressortleiter Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung
- Maximilian Steinbeis, Journalist und Autor
- Dr. Joachim Jahn, Wirtschaftsredakteur der FAZ
Über Mark Kohlbecher
Seit 1995 arbeitet Mark Kohlbecher für RTL, seit 1998 im Frankfurter Büro. Seine Tätigkeiten umfassen vorwiegend die aktuelle Berichterstattung in Sachen Kriminalität und Terrorismus, und dabei auch die Prozessberichterstattung. Parallel ist Mark Kohlbacher seit 1998 für RTL als Reporter in Krisen- und Katastrophengebieten unterwegs – u. a. im Irakkrieg, beim Tsunami, bei Aufständen und Unruhen (etwa in Kenia und Griechenland) oder Flugzeugabstürzen.
Kommentare
Ein Kommentar zu “Fünf Fragen an Mark Kohlbecher (RTL), Reporter”
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September 8th, 2009 @ 16:57
Natürlich nehmen Richter die Berichterstattung wahr rund um ihren Prozess, allerdings glaube ich nicht das sie beeinflusst werden. Sicherlich tragen auch die Eindrücke der Lektüre zu Entscheidungsfindung bei, aber ob man da von Beeinflussung reden kann, das ist mir zuviel gesagt.