Marcus Rohwetter (DIE ZEIT): Nicht für dumm verkaufen!
18. Februar 2009 | Autor: Gastblogger | 1 Kommentar Artikel drucken
„Litigation-PR : der Blog“ begrüßt Gastautor Marcus Rohwetter, Wirtschaftsredakteur (DIE ZEIT)
Wenn Berater einen neuen Trend ausrufen, sollte man vorsichtig sein. Schließlich wollen sie vor allem ihre Dienstleistung verkaufen. Gut möglich, dass es sich bei Litigation-PR ebenso verhält, zumal noch umstritten ist, wodurch sich diese Teildisziplin der Public Relations genau auszeichnet.
Allerdings spricht einiges dafür, dass es sich um mehr als bloß eine neue Beratermode handelt. Juristische Themen gewinnen in der Öffentlichkeit an Bedeutung. Rechtsfragen werden nicht mehr nur auf die Ratgeberseiten der Zeitungen verbannt („Urteile für Mieter“), und das ist auch gut so.
Die gesellschaftliche Relevanz des Rechts spiegelt sich in der zunehmenden medialen Aufmerksamkeit für Wirtschaftsstrafverfahren gegen Topmanager (Mannesmann), Massenprozesse enttäuschter Kleinanleger gegen die Telekom oder Fragen wie die, ob ehemalige Siemens-Vorstände nun für die Folgen der Korruptionsaffäre mit ihrem Privatvermögen haften. Die öffentliche Diskussion über Exzesse der wirtschaftlichen Elite hat eine moralische, zugleich aber auch eine rechtliche Komponente.
Die juristischen Aspekte dieser Themen sind freilich komplexer als die bei der Frage, ob Mieter beim Auszug die Wohnung streichen müssen. Das weckt bei Medien die Nachfrage nach Information über juristische Zusammenhänge – der Markt für spezialisierte PR-Berater steht offen.
Ob es der Litigation-PR gelingt, sich von bloßer Kanzlei-PR abzugrenzen? Mit letzterer machen Medien ja schon seit einiger Zeit Erfahrungen, und nicht immer gute. Vor allem kleinere Anwaltskanzleien und Agenturen gingen dabei manchmal unbeholfen vor, meist aber nur dreist.
Beispiel Eins: Staatsanwälte als PR-Gehilfen.
Vor einigen Jahren waren Strafanzeigen gegen ehemalige Topmanager schwer in Mode. Es traf unter anderem den früheren Telekom-Chef Ron Sommer. Gestellt wurden die Strafanzeigen meist von Anwälten, die von PR-Beratern begleitet wurden. Eine PR-Agentur feierte die Strafanzeige gegen Sommer später sogar ausführlich in einem Branchenblatt, weil viele Medien darüber berichteten und sich dementsprechend viele enttäuschte Kleinanleger an den von ihr betreuten Anwalt wandten.
Solche dreisten Aktionen sind peinlich für Anwälte, die sich nicht zu schade sind, Staatsanwälte zu PR-Gehilfen zu degradieren.
Beispiel Zwei: Die Robin-Hood-Tarnung
Nach dem Zusammenbruch von Kaupthing-Bank und Lehman Brothers tauchen derzeit zahlreiche Schutzverbände, Selbsthilfegruppen und Verbrauchervereine auf – hinter denen aber oft Anwaltskanzleien stehen, ohne dass das sofort erkennbar wäre. Sie holen enttäusche Kapitalanleger dort ab, wo es besondern einfach ist: bei ihrer Angst.
In bester Kaffeefahrt-Manier ködern Anwälte Anleger auf Großveranstaltungen. Dazu inszenieren sie sich mit Hilfe ihrer Berater gern als moderne Robin Hoods, die für Lehman-Oma & Co gegen böse Großbanken zu Felde ziehen und hervorragende Chancen versprechen. Seriös ist das nicht, denn die Erfolgsaussichten sind – aufgrund der Gesetzeslage – ziemlich dünn.
Solche Art Kanzlei-PR wird keinen nachhaltigen Erfolg haben, nicht einmal für die Berater selbst. Litigation-PR hat die Chance, sich davon abzusetzen. Medien nicht für dumm zu verkaufen, sondern die eigenen Interessen offen darzulegen und seine Rechtsposition zu begründen – darin liegt eine Chance. Mit offenen Karten zu spielen ist ein Gebot der Fairness.
Was aber bedeutet das für die Medien?
Einerseits finden sie Ansprechpartner für teils komplizierte Rechtsfragen, die für den Ausgang von Gerichtsprozessen sehr viel entscheidender sind als das bloße Auftreten der Akteure. Persönliche Inszenierung ist viel, aber wenn es hart auf hart kommt, längst nicht alles.
Andererseits besteht für die Medien immer die Gefahr der Instrumentalisierung. Viele Anwälte können meisterhaft darlegen, warum ein Gericht eigentlich gar nicht anders kann, als ihrer Einschätzung zuzustimmen.
Davon sollte man sich als Journalist aber nicht blenden lassen. Wer stets auch die Gegenseite befragt, wird die Sollbruchstellen der juristischen Argumentationslinien schnell aufdecken. Litigation-PR hin oder her – Recht spricht in Deutschland immer noch ein Richter. Und auch das ist gut so.
Über Marcus Rohwetter:
Marcus Rohwetter ist Wirtschaftsredakteur bei der Wochenzeitung DIE ZEIT. Er studierte Rechtswissenschaft in Bielefeld und arbeitete als freier Journalist für die Justizredaktion des ZDF. Bevor er im Jahre 2000 zur ZEIT nach Hamburg kam, besuchte er die Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten in Düsseldorf. Marcus Rohwetter wurde 2005 mit dem Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus und 2003 mit dem Ludwig-Erhard-Förderpreis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet.
Kontakt:
– marcus.rohwetter(et)zeit.de
– rohwetter(et)hotmail.com
Kommentare
Ein Kommentar zu “Marcus Rohwetter (DIE ZEIT): Nicht für dumm verkaufen!”
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November 6th, 2010 @ 18:33
Solange die nichtjuristischen Kontrollinstanzen unserer Gesellschaft ignorieren, daß Juristen nicht das Recht haben, sich mit ipsativer Rechtsauslegung von der teleologischen zu entfernen, und die Justiz damit unser demokratisch gemeintes Regelwerk so handhabt, daß die Spielräume mächtiger Plagegeister größer und größer werden, können die Fehlentwicklungen daraus nur in unaufhörlich wachsenden Schuldenbergen gipfeln. Folglich wird es noch viele gut und schlecht gemachte Bemühungen geben, unbewußte und bewußte Verwechslungen von Wahrheit und Wahrnehmung für die Profitmaximierung zu nutzen.
Journalisten können allein mit dem Verschweigen wirksamer Hilfen gegen Machtmißbrauch mehr PR für die mit umfassenden Gewaltbefugnissen ausgestattete, und damit einflußreichste Macht im Lande leisten, als allen Recht sein kann und Politiker kaum noch dazu kommen, Zukunft zu planen. Zwischen Sesselzurechtrücken und Wahlkrämpfen beschäftigen sie sich überwiegend mit dem Kompensieren von viel zu viel Justizversagen auf die Schultern Unbeteiligter, die sich kaum wehren können.