Von Litigation-PR und Rasierklingen
12. Februar 2009 | Autor: Jens Nordlohne | 3 Kommentare Artikel drucken
Was ist Litigation-PR? So ganz einig scheinen sich die wenigen deutschen Experten auf diesem Gebiet selbst noch nicht zu sein. PR-Berater Stephan Holzinger, der gerade mit seinem Co-Autor Uwe Wolff das Buch „Im Namen der Öffentlichkeit“ herausgebracht hat, beschreibt diese Kommunikations-Disziplin wie folgt: „Litigation-PR ist – verkürzt gesagt – das strategische Kommunikationsmanagement während jeglicher Art von zivil- oder strafrechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Ziel, das Ergebnis zu beeinflussen und die persönlichen oder wirtschaftlichen Interessen, insbesondere jedoch die Reputation des Mandanten, nachhaltig und effektiv zu schützen.“ Ein anderer PR-Berater, Frank Wilmes, definiert Litigation-PR schlicht als „Krisen-PR in rechtlichen Auseinandersetzungen“. Für den Rechtsanwalt Dr. Gerald Neben, kümmern sich Litigation PR-Experten darum, Glaubwürdigkeitsverlust zu vermeiden und den daraus resultierenden Schaden zu begrenzen.“
In allen Definitionen steckt etwas Wahres – auch, wenn ich den Schwerpunkt von Litigation nicht darin sehe, das Ergebnis einer gerichtlichen Auseinandersetzung beeinflussen zu wollen. Zumindest dann nicht, wenn das bedeutet, mit Stimmungsmache in den Medien einen Richter zu einem bestimmten Urteilsspruch zu bewegen (Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens die Wahrnehmung der Richter von der PR-Arbeit des ehemaligen Bild-Chefs H-H- Tiedje im Falk-Prozess). Die Aufgaben der Litigation-PR – so wie wir sie sehen, hat K. Fitzpatrick bereits 1996 definiert:
Fitzpatrick’s Six Objectives of Litigation Public Relations
- Counteracting negative publicity.
- Making a client’s viewpoint known.
- Ensuring balanced media coverage.
- Helping the media and the public understand complex legal issues.
- Defusing a hostile environment.
- Helping resolve the conflict
Aber warum ist eine Prozess begleitende Kommunikation heute überhaupt wichtig? Weil es für geschäftlichen, sozialen, gesellschaftlichen Erfolg genauso bedeutend ist, Recht zu bekommen, wie recht gut dazustehen! Und bei immer mehr juristischen Auseinandersetzung geht der Vorhang des öffentlichen Interesses hoch und die Scheinwerfer der Medien an. Lloyd Chiasson, Autor von “The Press on Trial: Crimes and Trials As Media Events” bezeichnet das Gericht als “Theater”:
How the public views the stage is often left to the media. The jury renders a verdict, but public opinion often determines the final verdict in terms of the lasting historical significance of the crime. (…) The reason is relatively simple. Trials are media events, and media coverage impacts their importance.“
Die Kunst der Litigation-PR besteht darin, unabhängig vom Ausgang eines Verfahrens die Reputation des Mandanten zu schützen – wenn möglich auszubauen. Ein Sieg vor Gericht muss kein Erfolg vor dem werten Publikum sein; siehe Ackermann. In den Augen der Öffentlichkeit kann gar eine Niederlage Sympathien erzeugen.
Unabdingbar für das erfolgreiche Reputationsmanagement ist ein enges Zusammenspiel zwischen Kommunikations-Knowhow und juristischer Expertise. Ich befürchte, dass in Zukunft viele klassische PR-Agenturen auf den Zug der „Litigation-PR“ aufspringen und diese hoch diffizile Beratung mit in ihr Portfolio aufnehmen werden. Aber nur von der PR-Seite die Sache anzugehen ist genauso zum Scheitern verurteilt, wie der Glaube der Advokaten, mit rein juristischer Argumentation Kommunikationshoheit zu erlangen.
Quelle: DCvision2006 auf Flickr
Im Gegenteil: Wer nicht auf beiden Seiten firm ist, sollte die Finger von Litigation Kommunikation lassen. Mit anderen Worten: Litigation-PR in der Hand von Nichtkönnern ist wie die Rasierklinge in der Hand von Affen.
Ich freue mich, von nun an hier in unserem Litigationblog mit Juristen, Journalisten, Kommunikationsexperten, Klagenden, Verklagten oder einfach nur Interessierten über das Spannungsfeld von Recht, Medien, Öffentlicher Meinung und persönlicher Wahrnehmung zu diskutieren.
Kommentare
3 Kommentare zu “Von Litigation-PR und Rasierklingen”
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Februar 12th, 2009 @ 14:48
Ich wünsche ein gutes Gelingen und werde den blog aufmerksam verfolgen.
Zwar bin ich kein Freund davon vertrauliche Sachverhalte nicht nur bei Gericht, sondern auch noch in den Medien breit zu wälzen, allerdings weiß man nie, wann eine Ausnahme der Regel geeigneter und situationsangemessener ist.
Toi,toi,toi
Philipp C. Munzinger
Fachanwalt für Familienrecht
68794 Oberhausen-Rheinhausen
Februar 12th, 2009 @ 15:14
Da entsteht wohl eine neue „juristische Hilfsdiziplin“, die auf Seiten der Justiz zu Abwehrreaktionen führen kann – vergl. den BGH-Präsidenten Prof. Dr. Tolksdorf beim diesjährigen Jahrespressegespräch (Bericht in NJW 2009, NJW-Aktuell, S. XX). Auf Seiten der PR-Berater rechne ich mit Jubel ob des neuen Marktes. Die Anwälte werden sicher uneinheitlicher Meinung sein.
Aber Vorsicht: Ich finde, Grundlage um einen Prozess zu gewinnen ist es immer noch, Recht zu haben!
Februar 12th, 2009 @ 17:55
An dieser Stelle herzlichen Dank an Christoph Wenk-Fischer, der das Thema auch ins Beck Blog aufgenommen hat: https://www.blog.beck.de/2009/02/12/litigation-pr-kein-neues-wunderwerkzeug/#comment-7233